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68058 / Daten zuletzt bearbeitet von: SJO allgemein
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CD:  Simon Spiess Trio — Miss D.B.
Infobild
Label: Unit Records
Label-Nummer: UTR 4275
Aufnahmedatum: 2010
Land: CH
Aufnahmeort: Basel
Helvetica: Hat Bezug zur Schweiz
Tonträger: CD
Archiv-Objekte
CD-07629
Musiker:
NameLandInstr.
Simon SpiessCHts,
Marco NennigerCHb,
Daniel MudrackCHd, cy,
Tracks:
Nr.Titel
1-1Miss D.B.
1-2Der Regen der auf das Vordach tropft
1-3Tosca
1-4Die Henker
1-5Four Winds
1-6Es war einmal
1-7Malcolm To The World Of Spaiz
1-8Sun Overlily
 
Obwohl erst 23-jährig, verfügt der Oltner Saxofonist Simon Spiess über Anlagen, um die ihn manch anderer Jazzer beneiden würde. Seine Originalität, Individualität, Offenheit und Ehrlichkeit sind fast schon einzigartig. Mit „Miss D.B.“, seinem neuen Album, verlangt Spiess den Zuhörern bewusst einiges ab – um ihnen dann eine echte Entdeckung zu ermöglichen und sie mit der nackten Schönheit von Musik zu beschenken.Ein neues Album ist – zugegebenermassen mit einigem an Fantasie – vergleichbar mit der Geburt eines Kindes. Gross ist die Vorfreude, lange wurde darauf gewartet, anstrengend bis schmerzvoll ist die Geburt (Studio, Produktion) an sich und dann ist es – das Kind oder eben das Album – plötzlich da. Freude herrscht, Geburtsanzeigen werden gedruckt, Promotexte geschrieben, die Taufe findet statt. Alle sehen: das Kind lebt, ist gesund, hat Arme und Beine, kann sehen und hören. Seine Anlagen sind im Lot. Doch was aus ihm werden wird, in zehn oder dreissig Jahren weiss noch niemand. Die einen bringen es zu etwas, dank Erziehung, sozialem Umfeld, Förderung etc. Die anderen… Mit neuen Alben verhält es sich gar nicht so anders – nur dass das Schicksal und Charakteristikum der Mehrheit von vielen aktuellen Produktionen in ihrer Kurzlebigkeit und baldigen Vergessenheit besteht. Fast wie ein Selbstmord im Jugendalter (mit dem Unterschied, dass es keine öffentliche Bestürzung gibt). Wozu dieser Vergleich, diese lange Einleitung? Simon Spiess, dem jungen Oltner Saxofonisten ist mit seinem neusten, dritten Album „Miss D.B.“ etwas gelungen, was zurecht eher als Ausnahme in der Schweizer Jazzlandschaft gesehen werden darf. „Miss D.B.“ ist keine Eintagsfliege, sondern weist eine Substanz auf, die Vergleichbares suchen lässt. Da ist die subjektive Erfahrung, dass man den neuen Silberling nach den ersten Takten beinahe am liebsten wieder aus dem Player nehmen würde. Weil nicht easy-listening und vordergründig sofort bekömmlich. Es verhält sich ein bisschen wie der Umgang mit schwierigen, unangepassten Kindern. Werden sie nicht einfach verurteilt oder bestraft sondern toleriert und gefördert, sind es nicht selten sie, die später Grosses (er)schaffen. Genauso die eigenwillige Musik auf „Miss D.B.“. Sie will bewusst gehört werden und ist nicht einfach ein netter Soundtrack zum Kochen oder Chillen. Spiess meint dazu: „Eines der Hauptaugenmerke ist für mich, mit meiner Musik eine Story zu erzählen – ohne Worte. Das möchte ich meinen Zuhörern bieten. Sie sollen aufmerksam zuhören. Ich möchte sie auch ein wenig provozieren. Deswegen habe ich mich für ein Trio ohne Harmonieinstrument entschieden. Als Gegenleistung schenken wir den Zuhörern unsere Harmonie als Trio. Ich versuche mit meiner Musik einem breiten Publikum zu zeigen, wie wundervoll diese Musik, der Jazz – dieses Geschenk! –, ist.“ Damit hat Spiess selber schon sehr viel über sein aktuelles Musikschaffen gesagt. Er sei der intuitive Typ, wenn es um Kunst gehe und alles andere als ein konzeptioneller Musiker. Letzterem ist natürlich nur bedingt zuzustimmen, denn „Miss D.B.“ basiert sehr wohl auf einem Konzept. Die Besetzung ohne Harmonieinstrument zwingt einem zum genauen Hinhören – Nebenbeschäftigungen sind unmöglich – nicht zuletzt weil Marco Nenniger seine Rolle als Bassist durchaus emanzipiert und gleichberechtigt versteht. Will heissen, dass er nicht einfach schön brav Basslines aus Grundtönen zupft, sondern gerne auch Melodiefragmente, Soli oder Töne aus dem „Akkord-Überbau“ übernimmt. Hat man die doch sehr vielseitige und vielgestaltige Musik als Zuhörer einmal auf einer Makroebene erfasst, eröffnet sich einem ein neuer Kosmos aus filigranen Nuancen, klanglich ebenso wie rhythmisch und melodisch. Diese Erfahrung, welche das Simon Spiess Trio so bietet und die dadurch ermöglichte Entdeckung ist tatsächlich ein Geschenk an den Zuhörer. Für einmal ist der Slogan „Reduce to the max“ mehr als eine hübsche Worthülse. Gerade weil kein Piano oder keine Gitarre mitmischeln, steht Spiess’ Saxofon mit seinen mannigfaltigen Klangfarben viel stärker im Vordergrund. Das ist mutig – und bei derart jungen Saxofonisten eher selten der Fall. Der Bläser steht quasi „nackt“ da und kann sich nirgends verstecken. Für zusätzliche Farbtupfer sorgen die beiden Gäste, Domenic Landolf (Tenorsaxofon) und Malcolm Braff (Fender Rhodes).