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Gilad Atzmon wurde in Jerusalem als Sohn von Ariella Atzmon, der früheren Dozentin für Philosophie und Pädagogik an der Hebräischen Universität Jerusalem, geboren. Atzmon selbst berichtet, er sei in einer nicht-religiösen zionistischen Familie aufgewachsen. Sein Großvater war Mitglied in der zionistischen Untergrundorganisation Irgun. Er hatte großen Einfluss auf die gesamte Familie und auf Atzmons Selbstverständnis als israelischer Jude. Im Juli 1981 trat Atzmon in die israelische Armee ein. Als im Juni 1982 der erste Libanonkrieg ausbrach, empfand er diesen als einen israelischen Aggressionskrieg.
Er wurde Mitglied im Musikkorps der israelischen Luftwaffe (IAFO). Das IAFO führte im Sommer 1984 eine Konzertreise bei den israelischen Truppen im Libanon durch. Eine Station war das israelische Internierungslager Ansar im Südlibanon. Bei einer Führung durch das Lager traf Atzmon auf Tausende internierter Palästinenser, die in der sengenden Hitze ausharren mussten. Die Ursache dieses Umgangs mit den Lagerinsassen sah er im Überlegenheitsgefühl der israelischen Gesellschaft, dessen Wurzeln er in den Besonderheiten der „jüdischen Identität“ vermutete. Atzmon sieht eine enge Verbindung zwischen seiner Passion für den Jazz und seinen philosophisch-politischen Interessen. Er studierte Komposition und Jazz an der Rubin Academy of Music in Jerusalem. Dann tourte er mit seiner eigenen Band und arbeitete als Produzent und Arrangeur im Bereich der Rock-, Jazz- und Weltmusik, beispielsweise mit Ofra Haza, Jack DeJohnette oder Michel Petrucciani.
Atzmon verließ Israel, um zunächst nach Deutschland zu gehen. Seit 1993 hält er sich hauptsächlich in Großbritannien auf. Er studierte Philosophie an der Universität von Essex. Im Jahr 2002 wurde er britischer Staatsbürger. Er lebt mit seiner Frau Tali und zwei Kindern in London.
Atzmons Interesse an Musik wurde durch die Musik von Charlie Parker geweckt. Atzmon spielt Sopran-, Alt-, Tenor- und Baritonsaxophon, als Nebeninstrumente verwendet er darüber hinaus Klarinette, Sol, Zurna, Flöte und Ziehharmonika. Er war Mitglied der Blockheads und arbeitete als Studiomusiker für Kollegen wie Ian Dury, Paul McCartney, Sinéad O’Connor und Robbie Williams. Seine erste CD legte er 1994 vor (Spiel). Er gründete dann das Orient House Ensemble, das nach dem früheren PLO-Hauptquartier in Ostjerusalem benannt ist und mit dem er seit 2000 CDs beim Münchener Jazzlabel enja veröffentlicht hat.
Seine Musik greift folkloristisch orientalische Elemente auf und verbindet sie mit den Traditionen des Bebop. Freie Improvisationen treten neben welt- und popmusikalische Momente. Für diese Stilphase steht sein Album Exile, das die BBC im Jahr 2003 zum „Jazz-Album des Jahres“ wählte. Auf dem Album In Loving Memory of America präsentiert er amerikanische Standards und Balladen mit Streicherarrangements im Stil der Bopper der 1950er Jahre. Er hat dabei, obgleich von Cannonball Adderley beeinflusst, einen leicht rauhen, aber lyrischen Ton. Teilweise geht er auch mit seinem Orient House Ensemble und dem Sigamos-Streichquartett auf Konzertreise.
Das Album Songs of the Metropolis wurde von den Musikkritikern im Jazz Journal Critics‘ Poll 2013 zum Best Album 2013 gewählt.[5] In ihm sind Stücke enthalten, die den Metropolen Buenos Aires, Paris, London bzw. Scarborough, Berlin, New York/Manhattan (Sound unten unter Weblinks abrufbar), Tel Aviv gewidmet sind. Atzmon gilt als einer der Jazzmusiker mit der größten Zahl von jährlichen Liveauftritten. Er steht über 100-mal pro Jahr auf der Bühne. Über das Verhältnis von Jazz und Politik äußert sich Atzmon sehr unterschiedlich. Einerseits ist für ihn Jazz „eine innovative Form des Widerstands.“[7], andererseits lehnt er den Boykott von Künstlern aus politischen Gründen ab. Für Atzmon ist die Schönheit der Musik eine Inspiration, die Welt zu lieben und das Leben zu genießen – trotz aller deprimierenden politischen Entwicklungen.
Als Produzent war er in den letzten Jahren für Sarah Gillespie, Elizabeth Simonian, die Weltmusik-Gruppe Yurodny und Robert Wyatt tätig.