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Parker wurde als einer der Schöpfer und herausragenden Interpreten des Bebop zu einem der wichtigsten und einflussreichsten Musiker in der Geschichte des Jazz wurde. Seine Musik „hat den Jazz beeinflusst wie vor ihm nur die von Louis Armstrong, wie nach ihm die von John Coltrane und Miles Davis“.
Ab 1942 wirkte er an den legendären Jamsessions im Monroe’s und im Minton’s Playhouse in Harlem mit, wo er gemeinsam mit Dizzy Gillespie und Thelonious Monk entscheidende Grundlagen für den Modern Jazz legte. Er spielte dabei für die Zeit kühne Dissonanzen und rhythmische Verschiebungen, die jedoch allesamt von seinem Gefühl für melodische Schlüssigkeit geprägt waren. Auch in sehr schnellen Stücken vermochte er prägnant und stimmig mit hoher Intensität zu improvisieren.[2] Anfang der 1950er Jahre verschlechterte sich der gesundheitliche Zustand des Altsaxophonisten, der seit seiner Jugend drogensüchtig war. Seinen letzten Auftritt hatte er am 5. März 1955 in dem nach ihm benannten New Yorker Jazzclub Birdland.
Parkers Spielweise ist geprägt von einer äußerst lebhaften, beweglichen, ideenreichen und virtuosen Melodik, oft in Verbindung mit einer vibrierenden, unruhig wirkenden Rhythmik. Darum sind seine Melodielinien besonders auf alten Aufnahmen teilweise nur bruchstückhaft erkennbar.
Anfang der vierziger Jahre erschöpfte sich der damals nicht nur in den USA enorm populäre Swing immer mehr in klischeehaften Arrangements und stereotypen Harmonien. Die häufig schlagerartigen Themen produzierten Soli mit oft typischen, vorhersehbaren Wendungen im Rahmen weiter, gut nachvollziehbarer Spannungsbögen.
Gelangweilt suchte Parker mit anderen jungen Musikern nach neuen musikalischen Wegen, die mehr kreative Entfaltung zuließen. So „zerlegte“ er die großen, nachsingbaren Bögen der Swingmelodien in lauter kleinere, motivische Fragmente, eine Technik, die schon in der „Diminution“ des Hochbarock auftaucht. Die Tempi werden oft rasend schnell, die Soli bestehen daher oft aus geradezu halsbrecherisch schnellen Ton-Kaskaden. Diese sind jedoch harmonisch und rhythmisch immer schlüssig und verlieren nie den Bezug zu den zu Grunde liegenden Akkorden. Dies erreichte Parker durch spezielle Skalen, die er schon in Kansas – während seines Rückzugs aus den öffentlichen Sessions und heimlichen Übephase – entwickelte. Er erweiterte eine normale Tonleiter um „Leit“- oder „Gleittöne“, die im Swing als disharmonisch galten, aber seine Läufe und Phrasen auf rhythmischen Schwerpunkten enden ließen. Dazu gehörte auch das im Swing „unerlaubte“ Intervall der erhöhten Quarte, deren Abwärtssprung lautmalerisch „Be-Bop“ zu sagen scheint. Zugleich integriert er die Vitalität eines starken Bluesfeelings in seine Soli.
Parkers Improvisationsstil veränderte die übliche Formelsprache des Swing auch im Blick auf die Harmonien: Diese wurden mit mehr tensions (Zusatztönen im Akkord) angereichert und wechselten häufiger. Der hypnotische Sog seines Saxophonspiels erzeugte eine Wechselwirkung mit seinen Mitmusikern: So ließen sich etwa der Schlagzeuger Kenny Clarke zu großer rhythmischer, der Pianist Thelonious Monk zu großer harmonischer Komplexität inspirieren. Parker führte diese Elemente dann wiederum auf ganz eigene Weise zusammen und bewegte sich innerhalb dieses selbst geschaffenen musikalischen Idioms mit einer einzigartigen Gewandtheit und Eleganz.
Auch als Komponist ist Parker für die Jazzgeschichte maßgebend geworden. Seine Stücke entstanden oft aus Improvisationen über längst bekannte Themen. Er benutzte einfach das Harmoniegerüst eines Standards, um darüber – meist spontan und oft erst im Studio – ein völlig neues, wiederum in sich stimmiges Thema zu erfinden. Für die auf solche Art entwickelten Themen hat sich der Fachbegriff bebop head entwickelt. Er hielt sich in der Regel nicht damit auf, dieses zu notieren, so dass er zahllose begeisterte Musikerfans und Editoren mit dem „Heraushören“ beschäftigte. Einer seiner Wahlsprüche war: „Learn the damn changes to forget them!“ – „Lern die verdammten Akkorde, um sie zu vergessen!“
Ornithology etwa ist quasi ein elegantes Solo über How High The Moon, das dessen Harmoniewechsel „beschleunigt“.(Speaker Icon.svg), Bird of Paradise eine Variation über All the Things You Are.
Oft verwendete Parker auch harmonische Grundformen des Jazz wie die Rhythm Changes von George Gershwins Hit I Got Rhythm (so beispielsweise bei Celebrity, Chasing the Bird, Kim, Moose the Mooche, Passport, Steeplechase, Anthropology, Dexterity und anderen) oder das Blues-Schema, wobei er diese Formen harmonisch erweiterte.
Beispiele für den harmonisch erweiterten sog. Parker Blues mit rhythmisch raffiniert „versetzter“ Themenphrasierung sind Au Privave, Confirmation oder Blues for Alice: Charakteristisch sind zum einen die Verwendung des Großen Septakkords (oder in der im Jazz international üblichen englischen Bezeichnung Major Seventh) anstatt des Dominantseptakkords auf der I. Stufe, d. h. der Erweiterung des Durdreiklangs durch die große anstatt der kleinen Septime (s. erster Teil im Hörbeispiel), zum anderen kadenzartige Überleitungen zwischen den Hauptakkorden, insbesondere von der I. auf die IV. Stufe in den ersten 4 Takten (die z. B. in Confirmation oder Blues for Alice[6] schon im 2. Takt beginnt). So gelang es Parker, Blues und funktionale Harmonik miteinander zu verschmelzen. (Speaker Icon.svg gegenüber dem üblichen Tempo stark verlangsamt)
Zu Beginn wirkte sein Spiel brandneu, revolutionär und galt den Heroen der Swingära geradezu als Frevel. Er setzte ihrem eingängigen und tanzbaren Stil eine Musik entgegen, die der Erwartungshaltung des Publikums widersprach. Der Bebop war mit seinen wirbelnden Melodiekürzeln und rasanten Rhythmen als Tanzmusik ungeeignet und wurde als disharmonisch und chaotisch empfunden. Parker verstand sich anders als viele damalige schwarze und weiße Musiker nicht als Entertainer, der nur die Wünsche der Hörermasse zu bedienen hatte. Er spielte durchaus extrovertiert und reagierte oft unmittelbar auf Zurufe auf der Bühne, sah sich dabei aber als Künstler, der fortwährend seinen eigenen, individuellen musikalischen Ausdruck suchte. Dies brachte ihm anfangs nur wenige Fans und Musikerfreunde ein, während das breite Publikum ihn zunächst schroff ablehnte. So war der Bebop in seiner Blütezeit zwischen 1945 und 1950 noch keineswegs populär und setzte sich erst allmählich auch kommerziell durch.
Erst Charlie Parker gab dem Altsaxophon die dominante solistische Rolle im Combo-Jazz, die es in diesem Maße in den Big Bands der 1930er-Jahre noch nicht haben konnte. Damit gab er auch anderen Jazz-Instrumenten – vor allem Schlagzeug, Klavier, Gitarre und später der Hammond-Orgel – neue Impulse für größere solistische Freiheiten: Viele Trommler spielten fortan „melodischer“, die Harmonie-Geber rhythmischer. So definierte Parker den Jazz neu als gruppendynamisches Ereignis, das zu ungeahnten Abenteuern und Entdeckungen einlädt und dabei seine ursprüngliche Vitalität und Ausdruckskraft wiedergewinnt.
Er verfügte über einen klaren, scharf akzentuierten Ton ohne Vibrato und eine hoch virtuose Technik, was ihm bei seinen Musikerkollegen viel Bewunderung einbrachte. Der Saxophonist Paul Desmond sagte in einem Interview, bei dem Parker auch anwesend war: „Eine weitere Sache, die ein wesentlicher Faktor in Ihrem Spiel ist, ist diese phantastische Technik, der niemand ganz gleich kommt.“ Parker antwortete darauf: „Naja, Sie machen es mir so schwer, Ihnen zu antworten; Sie wissen schon, weil ich nicht erkenne, wo bei dem Ganzen etwas Phantastisches ist … Ich habe die Leute mit dem Saxophon verrückt gemacht. Ich habe da gewöhnlich mindestens 11 bis 15 Stunden täglich hineingesteckt.“[7]
Noch heute gilt er als das überragende und unübertroffene Genie auf dem Altsaxophon, das schulbildend gewirkt hat und dem viele Jazzmusiker nacheifern. Er hat den Jazz aus den Zwängen der Unterhaltungsmusik herausgeführt und damit als eigenständige Kunstform des 20. Jahrhunderts wenn nicht „etabliert“, so doch emanzipiert. Er gilt bei Musikern, Fachwelt und Publikum als der alles überragende Gründervater des Modern Jazz. Trotzdem war Parker kein Dogmatiker und brachte viel Verständnis für neuere Entwicklungen auf. Gedanklich konnte er sogar die Anfänge einer frei improvisierten Jazzmusik nachvollziehen. Auf die Frage des Journalisten John McLellan, was Parker von Lennie Tristanos neuer Richtung halten würde, dieser kollektiven improvisierten Musik ohne Themen und Harmonien (er, McLellan, könne gar nicht verstehen wie das funktioniere) antwortete Parker: „Das sind, genau wie Sie sagen, Improvisationen, Sie wissen schon, und wenn Sie genau genug zuhören, dann können Sie die Melodie entdecken, die sich innerhalb der Akkorde weiterbewegt, jeder beliebigen Folge von Akkordstrukturen, Sie wissen schon, und anstatt die Melodie vorherrschen zu lassen. In dem Stil, den Lennie und die anderen darbieten, wird sie mehr oder weniger gehört oder gefühlt.
Zeitgenossen beschreiben Parker als hoch sensiblen und leidenschaftlichen, aber äußerst sprunghaften, zerrissenen und zu extremem Verhalten neigenden Charakter. Parkers ganzes Leben war von seiner Heroinabhängigkeit beeinflusst, die letztlich auch zu seinem frühen Tod führte. Er unternahm mehrere Selbstmordversuche, einen davon 1952 mit Jodtinktur nach dem frühen Tod seiner Tochter Pree. Als Junkie konnte er seine Karriere als professioneller Musiker oft nicht kontrollieren: Gelegentlich verkaufte er die Rechte an Plattenaufnahmen noch vor der Aufnahme für den Gegenwert einer Dosis Heroin. Seinem Dealer Emry Bird setzte er mit dem Stück Moose The Mooche, das nach dessen Spitznamen betitelt war, ein musikalisches Denkmal. Die Aufnahmen vom 29. Juli 1946, bei denen Loverman und The Gipsy eingespielt wurden, gelten als ein tragisches Dokument seiner Sucht und seines Verfalls: Hier ist ein von schweren Entzugserscheinungen geplagter und offenbar völlig betrunkener Parker zu hören, der nur noch „lallend“ Saxophon spielen kann. Der Jazzclub Birdland erteilte ihm 1954 Hausverbot, nachdem er auf offener Bühne einen Streit mit dem ebenfalls drogenabhängigen Pianisten Bud Powell ausgetragen und anschließend seinen Auftritt abgebrochen hatte.
Parker war insgesamt dreimal verheiratet, gegen Ende seines Lebens mit zwei Frauen zugleich: Chan und Doris. Diese stritten sich nach seinem Tod über Ort und Formalitäten seines Begräbnisses sowie um sein Erbe. Seine zuerst geehelichte Frau Doris setzte sich durch und ließ ihn gegen seinen testamentarischen Willen nicht in New York, sondern in Kansas City begraben (Wikipedia).