Info:
Art Tatum ist einer der einflussreichsten Jazzpianisten, obwohl er keine eigene Schule hinterließ, indem er vorhandene Stilrichtungen vollendete und vom Swing kommend als Wegbereiter des Bop dessen Erneuerung im Postbop oder Modern Jazz vorbereitete. Tatum war ein Kenner der klassischen und impressionistischen Musik und gebot über modernste harmonische Kenntnisse, weshalb er Harmonien ständig um- und ausdeutete. Durch rhythmische Sicherheit gegründete Flexibilität, vor allem im Solospiel, im swingenden Zeitgefühl (time) ließ ihn phrasenweise über die bloßen Akkordwechsel eines Stückes (changes) improvisieren, wo im Swing vorher Melodien variiert wurden. Die Grundlage für diese Sicherheit ist die strukturelle Organisation, die der Ragtime-Stride den Standardstücken gibt oder abfordert (zum Beispiel, wie er Tea For Two arrangiert), und das bleibt bei Tatum auch so, wenn er diesen Stil verlässt. Sein Einfluss reicht über das Instrument Klavier hinaus.
Walking Bass in Dezimen (Art Tatum: Ain’t Misbehavin’) im Ragtime Stride anhören?/i
Er entwickelte den Stridestil von James P. Johnson, Willie „The Lion“ Smith und Fats Waller zu einem zeitlosen Stil weiter, und konnte verschiedene Einflüsse dahinein miteinbeziehen. Speziell die laufenden (walking) Dezimenbässe verfeinerte er. Nach Kunzler ist die Dezime die dritte Stimme in der Begleitung zum Bass und den auf den Offbeat gebrachten Akkorden, die Tatum auch herausarbeitete oder motivisch benutzte. Obwohl er seltener den Blues spielte, bewegte er sich und kombinierte in allen Stilarten, darunter auch im Boogie und Blues.
Seine technische, harmonische und rhythmische Sicherheit ließ ihn ausgreifend modulieren oder lange in der Tonart verharren, ohne sich zu wiederholen. Allerdings wurde dabei oft nur seine Virtuosität beobachtet, und über der schieren Geschwindigkeit, Tatum spielte meist sehr schnell, konnte der Hörer schnell musikalisch überfordert werden und ihn für schwierig oder zu komplex halten, was zu einer falschen Einschätzung führte. Seine leichte Fingerfertigkeit war wie seine Technik Mittel zum Ausdruck musikalischer Gedanken und keine bloße Virtuosität. Weil Tatum meist nur im Pianotrio oder Solo auftrat, gehört einige musikalische Fantasie dazu, sich seine Musik auf andere Instrumente versetzt zu denken, damit man seinen Einfluss im Jazz erkennen kann. Nach einer Stilkrise nahm er Mitte der 1950er Jahre sozusagen eine Bilanz seines Spätwerks 1953–55 auf, die The Tatum Solo Masterpieces und 1956 The Tatum Group Masterpieces.[7]
In seinem Erfindungsreichtum beim Spielen von Standards, die er auch rhythmisch sicher variierte, war er weniger Improvisateur als Arrangeur. Seine Verzierungen und Variationen wurden gelegentlich als übertrieben aufgefasst. Harmonisch verfeinerte er die Möglichkeiten, indem er die großen Intervalle None (9), Undezime (11) und Tredezime (13) in seine Harmonien einbezog.[8]
Besonders bei Standardstücken, die rhythmisch und thematisch zum Bearbeiten anregen, zeigt Tatum seine Fähigkeit modernes Jazzpiano mit einem eigenen Klangbild zu spielen, wie zum Beispiel Begin the Beguine und Willow Weep for Me (Wikipedia).