"SJO"
Daten der Sparte Tonträger / Musiker / Bilder
CD: Samuel Jon Samuelsson Big Band — 4 Hlidar
Label:
SJS MusicLabel-Nummer:
sjsmusic005CDAufnahmedatum: 2014
Tonträger: 1 CD
Das kann doch unmöglich aus Reykjavik stammen!
Review von Sven Kabelitz
So geht das nun wirklich nicht! An irgendwelche Klischees müssen wir Kritiker uns doch festhalten können. Gerade bei Musikern aus Island gibt es nichts wichtigeres, als irgendwo im Text etwas über Elfen, Vulkane und Geysire zu fabulieren. Jeder vom Feenstaub geküsste Musiker dieser kleinen Insel, auf der alle auf die ein oder andere Weise miteinander verwandt sind, hat wie Björk oder Sigur Rós zu klingen. So steht es geschrieben, so soll es geschehen!
Aber nein, die Samúel Jón Samúelsson Big Band hält sich natürlich für etwas ganz besonderes. Als wäre der leibhaftige Fela Kuti hinter ihnen her, trommeln und tröten sie sich durch den Afrobeat. Gehts noch? Kann hier plötzlicher jeder tun und lassen, was er will? Um mich letztendlich komplett zu verwirren, vermischen sie das Ganze noch mit Funk und Jazz. Wo, bitte, soll ich hier meine zurechtgelegten Bilder von Kobolden und Wildbächen unterbringen? Schönen Dank auch. Wie überaus ärgerlich!
Besserung scheint nicht in Sicht. Schließlich betreibt dieses Hippiegesindel den Schabernack bereits seit vielen vielen Jahren. Diesmal breiten sie sich sogar über ein prall gefülltes Doppelalbum aus, auf denen sie ihren Songs das Recht eingestehen, sich erst langsam zu finden und zu entwickeln. Wie in "Ordeo Ad Chao", das wuchtig wie ein alter Blaxploitation-Soundtrack beginnt, bekommt die Band oft nur eine kleine Melodie zur Hand, aus der sie mit gewaltigen Jams mehr und mehr ausbricht.
Deswegen fordere ich: Gebt Tracks wie "Ethiópían" und "Afrerica" ihren rechtmäßigen Besitzern in Lagos zurück! So etwas kann doch unmöglich aus Reykjavik stammen! Die unbändige Kraft, die in dieser Band steckt, nimmt so doch sonst niemand ernst! Wenigstens haben die Mannen rund um diesen bärtigen Kerl namens Samúel Jón Samúelsson den Anstand, in "Afróbít" Fela Kutis früheren Drummer und musikalischen Dirketor Torry Allen mitspielen zu lassen.
Kurz bevor "Peace" "4 Hliðar" ein stimmungsvolles flauschiges Jazz-Ende beschert, steigert sich das übersprudelnde "Fola" in ein von fieberigen Percussions in Bewegung gesetztes Funk-Monster. Wenigstens zu Beginn von "1st Man From Iceland" lässt die Big Band mit einem verträumten Windspiel-Intro die Isländer raushängen, bevor sie dann doch in einen mörderischen Budos Band-Groove übergehen. Im Verlauf heizen die aufsteigenden Bläser mehr und mehr an, bis sie schließlich wie der Eyjafjallajökull explodieren. Ha! Doch noch ein Island-Schlagwort untergebracht.
Deswegen, aber auch nur deswegen, billige ich euer Spektakel ein letztes Mal. Wenn ihr, liebe Samúel Jón Samúelsson Big Band, meint, damit noch einmal durchzukommen, habt ihr die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht. Beim nächsten Mal können euch selbst euer höllischer Groove, die dichten und scharfkantigen Arrangements und die überbordende Energie nicht mehr retten. Dann erwarte ich von euch die landesüblichen flächendeckenden Keyboard-Landscapes und Texte in eurer für uns Deutsche zu fremd und kurios klingenden Sprache. Sonst kann ich meinen Beruf ja gleich an den Nagel hängen.