Klang und Seele, sonus und anima, haben eine gemeinsame Adresse.
Natürlich kann man, während sie sich miteinander bewegen, vorübergehend erst einmal die Seele dem Klavier zuordnen und den Klang dem Laptop und beide in zwei Welten dividieren: dem Laptop also die Welt der Geräusche zuordnen und der Bearbeitung von Klängen, die woanders erzeugt worden sind, und dem Klavier die Musik, die Kreativität, die Spannung, die Geschichte.
Das ist natürlich viel zu einfach. Das Klavier wird von einer Pianistin gespielt, die sich nach langer Beschäftigung mit elektronischer Klangerzeugung und Klangbearbeitung dafür entschieden hat, beim Klavier zu bleiben, ohne Klangverzicht üben zu wollen. Und am Laptop sitzt eine Musikerin, die dem Klavier sehr nahe kommt - sei es, indem sie antwortet und in einen Dialog eintritt, sei es, indem sie durch Echtzeit-Klangbearbeitung der Pianistin einen verfremdenden Spiegel leiht und sie zum Dialog mit sich selbst verleitet. Und weil niemand mit sich selbst in einen echten Dialog geraten kann, ist klar, dass es sich um einen Dialog mit einer anderen Musikerin handelt, unter einer gemeinsamen Adresse: sonus@anima.
Es kommt also zu Synthesen, die die Trennschärfe zwischen beiden verwischen, und die alten Vorstellungen musikalischer Ordnung stimmen nicht mehr recht. Es gibt keinen markanten, prinzipiellen und sinnvollen Unterschied zwischen Musik und Geräusch, wenn beide sich miteinander verweben und sich in gegenseitige Reaktionen hineinlocken oder sogar miteinander verschmelzen. Und keineswegs ist das traditionelle Instrument Klavier für die Musik zuständig und die historisch vergleichsweise neue Elektronik für deren Bearbeitung. Denn die Bearbeitung geschieht nicht immer nachträglich, sie kann auch Voraussetzungen schaffen oder neu definieren und ihrerseits Reaktionen provozieren. Manchmal erforschen beide ihre Reaktionsmöglichkeiten, manchmal scheinen sie sich zu teilen und nebeneinander her zu gehen. Aber immer sitzen sie im gleichen Boot. Weil es, und hier stimmt doch endlich mal eine überlieferte Weisheit, keine Musik ohne Klang gibt.
Elvira Plenar und Karin Ernst bewegen sich miteinander. Sie hören und reagieren aufeinander, füllen Lücken. Sie reichern an, was die andere an Material liefert, ohne dass sonus und anima dabei schwerer würden. Sie schichten nichts übereinander. Sie bevorzugen eine gemeinsame Schreit- oder Fließbewegung, ein Umeinander, bei dem sich eine Richtung wie von allein ergibt. Anders als in der Natur herrscht hier, in der Musik, keine Schwerkraft. Sie entsteht aus dem, was die beiden Musikerinnen den Tönen mitgeben.