"SJO"
Daten der Sparte Tonträger / Musiker / Bilder
CD: Bauer Bauer — The Concert of Völkerschlachtdenkmal Leipzig
Label:
Intakt RecordsLabel-Nummer:
CD 040Aufnahmedatum: 1995
Aufnahmeort: Leipzig
Helvetica: Hat Bezug zur Schweiz
Tonträger: 1 CD
Liner Notes Verfasser: Bert Noglik
Genre | | |
Contemporary Jazz | → | Avantgarde |
DER RAUM. Improvisierende arbeiten immer mit dem Raum als Inspirationsquelle – mit der Atmosphäre des Ambientes ebenso wie mit dessen akustischer Beschaffenheit. So wird der Raum zum unsichtbaren, aber hörbaren «Mitspieler». Hat er gar noch eine besondere Beschaffenheit, etwa eine lange Nachhallzeit oder ein Echo, erhöht sich der Reiz, mit dem Raum zu spielen. Conrad und Johannes Bauer haben bereits beim Spiel in Kirchen die musikalischen Aspekte von Räumen musikalisch zu nutzen gelernt. 1984 war Conrad Bauer an Aufnahmen im trockengelegten Wasserspeicher Severin in Köln beteiligt. Neben dem Projekt mit dem Titel «Vor der Flut», an dem sich zahlreiche Musiker unterschiedlicher Stilrichtungen beteiligten, entstand in diesem Raum mit einer extrem langen Nachhallzeit auch Conrad Bauers Solo-Album «Flüchtiges Glück». Den Hallraum im Inneren des Völkerschlachtdenkmals hatte der Posaunist bereits als Kind bei einem Ausflug mit seinen Eltern nach Leipzig kennengelernt. Ein Trompeter, so erzählt Conrad Bauer, habe damals die besondere Akustik des Raumes demonstriert. Auf Initiative des «jazzclub leipzig», der sich stets darum bemühte, neue Spielorte und Präsentationsformen ausfindig zu machen, kam es im April 1988 zu einem Solokonzert mit Conrad Bauer (festgehalten auf der Amiga-LP Conrad Bauer, Live im Völkerschlachtdenkmal) und im September 1993 zu einem Duokonzert mit Conrad und Johannes Bauer im Innenraum des Denkmals mit seinem bis zu zwanzig Sekunden hörbaren Nachhall. Das beachtlich gut besuchte Duokonzert reihte sich ein in eine Folge von Konzerten, die der «jazzclub leipzig» anlässlich seines 20jährigen Jubiläums veranstaltete. Strahlt das Denkmal in seiner architektonischen Gestalt eine eher düster monumentale Atmosphäre aus (das Bauwerk wurde ein Jahrhundert nach der Schlacht im Oktober 1813 errichtet, bei der die vereinigten Verbände über die Truppen von Napoleon I. siegten), so entledigt sich die Improvisation jedweder Ideologisierungen, verzichtet sie auf Assoziationen des Martialischen oder des Pompösen, gelingt es den Musikern, das historisch konnotierte Ambiente lustvoll in einen Spielraum umzudeuten.
DIE SPIELER. BAUER BAUER, das wirkt wie eine Vervielfachung dessen, was sich bereits beim Spiel eines Solisten in diesem Raum an Mehrfachem ergibt. Potenzierung: Bauer hoch Bauer. Erprobt bereits bei «Doppelmoppel», ein Quartett, indem die Bauer-Brothers mit den beiden Gitarristen Uwe Kropinski und Helmut «Joe» Sachse zusammen spielen, setzten sie ihre Posaunensprachen nun dialogisch und überdies im Hallraum zueinander in Bezug. Im Duo wirkt das noch purer als in der Gruppe, werden Übereinstimmungen und Entgegensetzungen noch deutlicher. Das Spektrum reicht vom Drive des Jazz bis zu den Klängen, die an Neue Musik denken lassen, von romantischen Passagen bis hin zum Bezeugen von Power. Doch am Erstaunlichsten wirkt wohl, wie eng und wie sensibel beide musikalisch zusammengehen. Das Thema der Alleingänge wird in den Rang eines oft simultan geführten Dialoges gehoben: Spielen und Hören, Agieren und Reagieren, das flüchtige Glück der Klänge in den Koordinaten von Raum und Zeit. Resonanz und Nachhall im Ambiente und bei den Zuhörerinnen und Zuhörern.